Kinder des Windes

Die Geschichte der Roma

Eine Würdigung ihres Schicksals, das unvergleichbar ist.
Ein Respekt an ihre Kraft, die Liebe zur Dunkelheit, die sie durch all das Schwere getragen hat.

In ihrer indischen Vergangenheit waren sie Banjara, Kanjar und Lohar. In Dascht-i-Nawar, der Wüste der Zigeuner, hatten sich diese drei Flussläufe zu einem großen Strom vereint. Sie wurden zu den Dom, dem verstoßenen Volk Indiens. Lange Zeit später nannte man sie in der Stadt Täbris Loren, Lurs, Luren, Luri oder Korula. In Konstantinopel wurden sie zu den Roum. In Europa angelangt nannten sie sich schließlich Roma.






Sie waren nicht freiwillig aus ihrer Heimat in Nordindien weggegangen. Im elften Jahrhundert hatten afghanische Aggressoren bei ihren Beutezügen die Nomaden zu Abertausenden als Sklaven mitgenommen. In der Wüste Gazni war ein riesiges Internierungslager entstanden. Erst dreieinhalb Jahrhunderte später konnten sie diesem entkommen. Ein endloser Weg bis in den Westen des Osmanischen Reiches, die
Stadt Täbris. Eine freundliche Stadt, in der sie wieder zu sich finden konnten und ihren Künsten Ausdruck geben. Ein Ort, der weitestgehend von den Mongolenkriegen verschont blieb. Danach Konstantinopel, aber nur für kurze Zeit. Sie wurden bei Nacht als Sündenböcke für die Pest verjagt.

Vierzehntes Jahrhundert - von Griechenland aus teilen sie sich wieder in drei Ströme. Einer gen Russland, einer gen Osteuropa wo sie, vor allem in Rumänien und Bulgarien erneut fünf Jahrhunderte grausamster Sklaverei erwartet und ein Strom drängt westwärts. Mitte des 15. Jahrhunderts treffen die ersten Kumpanias in Paris ein. Weder in Frankreich noch hundert Jahre später in England sind die Roma willkommen. Dennoch sind sie längst nicht derartigen Unmenschlichkeiten ausgesetzt wie in Osteuropa. Erst im 19. Jahrhundert, im viktorianischen England finden sie Frieden und können wieder zu ihrer Lebensweise finden.

20. Jahrhundert Deutschland, der Holocaust. Eine Million Sinti und Roma werden ermordet. Ein geplanter Völkermord, für den bisher immer noch von offizieller Seite die Anerkennung und Würdigung fehlt. Nach wie vor leben tausende von Roma vor allem in Osteuropa diskriminiert und in Armut.
Wohin gehen sie?


„Sie hat gelebt. Sie betrachtet die Welt durch den Schweiß und die Trauer. Nichts wird wieder so schön für sie sein, wie es einst mit ihrem ersten Mann war. In ihrem Herzen ist es dunkel geworden, und sie schüttet es beim Tanzen und beim Singen aus. Ohne die Liebe zur Dunkelheit, den Drang, sie aus dem Körper heraus zu pressen, wirst du niemals, wirst du niemals ein guter Sänger oder Tänzer der Tschingene sein.“

Roger Morreau über eine Romni in „Kinder des Windes, die geheimnisvolle Herkunft der Sinti und Roma“